Kritische Theorie

Die Politik der Rackets: Zur Praxis der herrschenden Klassen | Ein Gespräch mit Kai Lindemann (2022)


„„Die Praxis der herrschenden Klassen ist geprägt von Beuteanteil, Komplizenschaft, Konkurrenz und Schutz der Beherrschten. Die beherrschten Klassen stehen in einem dynamischen Abhängigkeitsverhältnis zu ihr. Es wird durch Anpassung, Loyalität und Gerechtigkeitsversprechen (Beuteanteil) stabilisiert.“

Dies ist ein Zitat aus dem Buch „Die Politik der Rackets. Zur Praxis der herrschenden Klassen“ von Kai Lindemann, das deutlich macht: Der Begriff des Rackets meint im gesellschaftstheoretischen Kontext nicht den Tennisschläger, sondern parastaatliche Strukturen bzw. Praxismuster herrschender Klassenfraktionen. Im Interview gibt Kai Lindemann einen Einblick in einige Aspekte seines Buches. Es geht um den Unterschied von Rackets und formellem Staat, um den Begriff der Beutegemeinschaft, um Rackets im Neoliberalismus und um die Überwindung der Racketgesellschaft.“

(Text, Quelle & MP3: https://www.freie-radios.net/113657 | CC BY-NC-SA 2.0 DE | Produziert von: https://www.radiocorax.de)

Zum Buch von Kai Lindemann:
https://www.dampfboot-verlag.de/shop/artikel/die-politik-der-rackets

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„Racket. Horkheimer entwendet diesen aus der US-amerikanischen Soziologie stammenden Ausdruck, um ihn für eigene sozialphilosophische Überlegungen zu nutzen. Er begreift das Racket zunächst schlicht als Grundform der Herrschaft, die sich aus dem Zusammenhang von Schutz und Unterwerfung ergibt und durch alle gesellschaftlichen Formen hindurch prägend ist, wie er in dem für die Racket-Theorie zentralen Textfragment Die Rackets und der Geist schreibt. Mit der Entwicklung der Werkzeuge und der Arbeitsteilung jedoch sei die »Okkupation der Schlüsselpositionen« allmählich nicht mehr »allein durch physische Kraft« bestimmt gewesen.

Ungeachtet der je spezifischen Herrschaftsverhältnisse habe sich in der bisherigen Geschichte jede Gruppe, die einen Platz in der Hierarchie eingenommen hat, sogleich nach unten verhärtet, um ihre privilegierte Position zu verteidigen: »Verhärtung heißt Monopolisierung der Vorteile, die sich auf Grund der bestimmten regelmäßigen Leistung im gesellschaftlichen Prozeß erzwingen lassen.« Gruppen, die zum Wohle der eigenen Mitglieder einmal errungene Vorteile zum Nachteil der restlichen Gesellschaft monopolisieren, bezeichnet er als Rackets; es gehöre zu ihrem Wesen, dass sie »kein Erbarmen« mit dem Leben außerhalb der eigenen Struktur, sondern »einzig das Gesetz der Selbsterhaltung« kennen. Auf diese Weise halten sie »die Bedingungen für den Fortgang der Arbeitsteilung, in der sie eine bevorzugte Stelle haben, aufrecht und wehren Änderungen, die ihr Monopol gefährden könnten, gewaltsam ab. […]

Herrschende Klasse heißt jeweils die Struktur von Rackets auf Grund einer bestimmten Produktionsweise, sofern sie die untersten Schichten gemeinsam beschützen und niederhalten«. Das Racket bietet Schutz und fordert zugleich bedingungslose Loyalität: »Die völlige Brechung der Persönlichkeit wird verlangt, absolut bündige Garantien der künftigen Zuverlässigkeit.«

Wer es an Loyalität gebrechen lässt, wird zum Feind des Rackets, wird ausgeschlossen und der Vernichtung anheimgestellt. Er ist, wie Horkheimer schreibt, »draußen in einem radikalen Sinn« und als bloßer Mensch, der sich auf keine Gruppenidentität und -zugehörigkeit berufen kann, verloren. Die ganze Gesellschaft erweise sich sowohl historisch wie auch in der Gegenwart als durch die Gewalt der Rackets strukturiert, denn bisher »hat das Racket allen gesellschaftlichen Erscheinungen seinen Stempel aufgeprägt, es hat geherrscht als Racket des Klerus, des Hofs, der Besitzenden, der Rasse, der Männer, der Erwachsenen, der Familie, der Polizei, des Verbrechens, und innerhalb dieser Medien selbst in Einzelrackets gegen den Rest der Sphäre. Es hat überall den Gegensatz zwischen innen und außen aufgerichtet, […]«.

Doch die Gewalt, vor welcher die Rackets zu schützen behaupten, wird wesentlich von ihnen selbst hervorgebracht und reproduziert, sie schaffen die Gründe für ihre Legitimation.“ (Thorsten Fuchshuber, in: „Rackets – Kritische Theorie der Bandenherrschaft“, S. 15f. | https://www.ca-ira.net/verlag/buecher/rackets/)

Auch interessant hierzu ist der Aufsatz von Gerhard Scheit „Der Todestrieb im Racket“:
https://www.kritiknetz.de/ideologiekritik/1491-der-todestrieb-im-racket

Und natürlich Wolfgang Pohrt’s „Brothers in Crime: Die Menschen im Zeitalter ihrer Überflüssigkeit“ – https://www.amazon.de/Brothers-Crime-Menschen-Zeitalter-%C3%9Cberfl%C3%BCssigkeit-ebook/dp/B014STVHO6
bzw. https://www.amazon.de/Werke-Band-8-2-Brothers-Diabolis/dp/3893202684

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